Ein blaues Auge - Der deutsche Biermarkt

Es sind mehrere Faktoren, die dem deutschen Biermarkt 2024 kein Glück gebracht haben. Mieses Wetter,
miese Stimmung und ein mieses Abschneiden der Nationalelf bei der Europameisterschaft sorgten für einen Absatzrückgang von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Manche Marken trotzten allerdings dieser Entwicklung.

Es ist schon ein Kreuz mit dem Wetter hierzulande. Bis Mai 2024 blickten Deutschlands Brauer voller Freude auf die Umsatzzahlen, die ein Plus von 2,5 Prozent aufwiesen. Doch der verregnete Sommer und das schlechte Abschneiden der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft – allein im Turniermonat Juni sang der Ausstoß auf ein historisches Tief – kehrten die Entwicklung um. Biergärten blieben leer, Events fielen ins Wasser. Dazu kam das gedämpfte Konsumklima. Letztlich sank der Gesamtbierabsatz um 1,4 Prozent, der steuerpflichtige Bierabsatz inklusive der Importe um zwei Prozent. Andere waren schlimmer dran. Wein etwa sank im Absatz um vier Prozent.

Steigende Kosten

Zugleich klagt die Braubranche über Kostensteigerungen. Christan Weber, Präsident des DBB, spricht dennoch von einer bemerkenswerten Resilienz, die die Brauer trotz anhaltend hoher Kosten für Rohstoffe, Energie, Logistik und Verpackung gezeigt hätten. Aber es hätte schlimmer kommen können, und tatsächlich lassen sich bei Weitem nicht alle Brauereien über einen Kamm scheren. Insgesamt ist die Braubranche mit einem blauen Auge davongekommen.

Regionale Unterschiede

Regional gibt es dabei deutliche Unterschiede: In Sachsen-Anhalt (+5,5%) und Bayern (+1,3%) stieg der Bierabsatz sogar, negative Spitzen sind Thüringen (-8,7%) und Hessen (-8,5%). Alkoholfreies Bier dagegen legt bundesweit zu. Die Produktion hat sich seit 2003 mehr als verdoppelt, so der Deutsche Brauer-Bund (DBB). Der Marktanteil lag zuletzt bei fast neun Prozent, hinter Pils (48,1%) und Hellbier (10,6%) inzwischen die Nummer drei im Markt.

Weber blickt daher durchaus optimistisch ins neue Jahr: „Immer neue Produkteinführungen zeigen, wie sich Innovation und Tradition verbinden.“ Das gelte auch für den Bereich Nachhaltigkeit, wo die Brauwirtschaft mittlerweile eine Führungsrolle einnehme, zumal die Brauwirtschaft eine Mehrwegquote von 78 Prozent erreiche – Fässer für die Gastro nicht einmal eingerechnet. Bange machen gilt nicht, so der Tenor der großen Brauereien. Für viele der kleinen Anbieter unter den knapp 1.500 Brauereien sieht es dagegen düster aus.

Ein Silberstreif am Horizont ist aber vorhanden. Das Resultat der Bundestagswahl könnte den zermürbenden Stillstand in der Wirtschaft zum Positiven wenden. Selbst das Wetter scheint mitzuspielen. Auch die gebeutelte Nachtgastronomie darf hoffen. Ausgehen und Feiern hatten in den letzten Jahren an Attraktivität verloren. Das könnte sich jetzt ändern. Gerade jüngere Zielgruppen zieht es wieder heraus aus den eigenen vier Wänden.

Plus und Allzeithoch bei Veltins

Ausgerechnet im 200. Jubiläumsjahr bescherte die Kundschaft der Brauerei C. & A. Veltins in einem rückläufigen Biermarkt ein Plus von 3,1 Prozent. 3,36 Mio. Hektoliter bedeuten ein Allzeithoch. Der Umsatz wuchs sogar um 4,1%. Zugpferde waren die Marken Veltins mit 2,5 Mio. hl (+3,4%) und helles Pülleken mit 328.000 hl (+20,5%). Grevensteiner und der Biermix V+ steuerten 129.200 hl bzw. 285.200 hl zum Ergebnis bei. Auch der Newcomer Veltins Helles Lager, erst im Sommer gelauncht, schaffte aus dem Stand 29.800 hl. Anders als die meisten internationalen Lagerbiere wird der Sortenneuling nach deutschem Reinheitsgebot und ohne Hopfenextrakt gebraut. „Der stabile Markenmix in unserem Sortenportfolio schafft eine gute Performance“, kommentierte Rainer Emig, Vertriebsdirektor Handel, das Ergebnis und blickte zugleich in die Zukunft: „Der Biermarkt ist und bleibt ein Seismograf für die Befindlichkeiten der Menschen, und mangelnde Konsumfreude ist immer auch ein Zeichen für wirtschaftliches Unwohlsein.“
Dr. Volker Kuhl, Sprecher der Geschäftsführung der Brauerei, zeigt sich daher optimistisch. Der deutsche Biermarkt bewege sich zwar mit einem strukturellen Volumenverlust zwischen einem und zwei Prozent auf absehbare Zeit in einem berechenbaren Rückwärtsgang. „Wir sind überzeugt, dass eine Gastronomie mit einem guten und vor allem kundenorientierten Konzept keine Sorgen haben muss“, glaubt Dr. Kuhl, „mit festem Blick auf die Gäste kann man so der allgemeinen Konsumschwäche trotzen.“

Keine Angst vor der Zukunft: Dr. Volker Kuhl von Veltins ist überzeugt, dass sich gute Gastrokonzepte keine Sorgen machen müssen.

Bitburger wächst auch in der Gastro

Zuwächse konnte auch die Bitburger Braugruppe erzielen. Der Absatz wuchs um 1,5%, der Umsatz um 2,9%. Demgegenüber standen wie bei allen Unternehmen enorme Kostensteigerungen für Energie, Einkauf und Personal. „Auch wenn wir angesichts der positiven Entwicklung unserer Marken und unseres Unternehmens zufrieden auf 2024 blicken können, fällt der Blick auf die Ertragssituation deutlich gedämpfter aus“, bilanziert die Geschäftsführung der Braugruppe. Pluspunkte sammelte Bitburger auch in der gebeutelten Gastronomie. Die stärkste Fassbiermarke der Republik konnte gegen den Markttrend um 2,9% wachsen. Vor allem das Neukundengeschäft soll sich überproportional gut entwickelt haben. Highlights sind aber vor allem das Umsatzplus von 3,3% bei Bitburger Premium Pils sowie zweistellige Zuwachsraten bei Benediktiner und im alkoholfreien Segment. Allein das 2022 gelaunchte Bitburger Herb 0.0% verdoppelte den Absatz zum Vorjahr. Wenig rosig sah es dagegen bei König Pilsener, Licher und Köstritzer aus. Seit Februar national auf dem Markt sind mit der neuen Biermix-Range X² mit den Sorten Cola, Ice Boost Energy und Spritz innovative Produkte in 0,33-l-Flaschen und Halbliterdosen. „Junge Biermischgetränke sind im Trend. Mit X² bringen wir Schwung in die Kategorie und holen sie mit frischer Coolness ins Hier und Jetzt“, sagt Sebastian Holtz, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing der Bitburger Braugruppe, „sowohl die Marke als auch die Produkte von X² haben den Anspruch, vor allem junge Menschen nicht nur mit gutem Geschmack, sondern auch mit modernen Designs zu begeistern.“

Das neue Dosen-Trio: Bitburger hat national die Range X² gelauncht.

Nur leichter Rückgang

Zufrieden unter den gegebenen Umständen ist man auch bei Deutschlands beliebtester Biermarke Krombacher, zumal die Hauptmarke Krombacher Pilsener ihren Marktanteil halten konnte. „Sicherlich ist die Kategorie Bier in Deutschland weiterhin höchst wettbewerbsintensiv“, teilt die Brauerei auf Anfrage mit, „in einem schrumpfenden Markt kämpfen viele Marktteilnehmer mit verhältnismäßig kleinen Marktanteilen um ihren Anteil am kleiner werdenden Kuchen. Zudem wird generell weniger Bier konsumiert, was unter anderem am Trend zu einer bewussteren Ernährung und am demografischen Faktor liegt.“

Die gesamte Krombacher Gruppe gibt einen leichten Rückgang beim Ausstoß um 0,8% auf 7,57 Mio. hl an, die Dachmarke Krombacher setzte dabei 5,675 Mio. hl ab (-1,1%), wobei Krombacher Pils um 2,3% nachgab, das Weizen um 13,8%. Anzumerken ist, dass alkoholfreie Getränke wie etwa Schweppes rund 40% des Ausstoßes der Gruppe ausmachen und um 1,7% wuchsen. Ins neue Jahr geht das Unternehmen optimistisch. „Unsere starke Marke werden wir in diesem Jahr ganz frisch inszenieren und präsentieren, natürlich auch in der Nachtgastronomie“, so Peter Lemm, Leiter Unternehmenskommunikation, „unser Ziel ist es, unsere Position als Marktführer auszubauen. Dafür haben wir mit unseren Maßnahmen im Marketing und Vertrieb die Voraussetzungen geschaffen, sodass wir berechtigt auch mit unserem Pils eine positive Absatzplanung für 2025 haben.“

Hintergrund ist dabei auch ein neuer Markenauftritt, begleitet von der Markenkampgane „Auf unsere Natur“. „Marken müssen sich immer wieder hinterfragen und neu definieren. Genau das haben wir aktuell getan und eine neue Markenansprache etabliert“, erklärt Lemm, „wichtig war uns dabei aber auch, uns selbst, unseren Wurzeln und unserem über Jahre und Jahrzehnte entwickelten Markenkern treu zu bleiben. Es gilt den Spagat zu schaffen, treuen Verwenderinnen und Verwendern ein modernes und aktualisiertes Markenbild zu liefern, dass sie noch wiedererkennen und gleichzeitig für neue und jüngere Zielgruppen attraktiver zu werden.“ Sukzessive wird das gesamte Produktdesigns umgestellt, auch ein neuer TV-Werbespot und digitale Aktivierungen sowie die Neugestaltung der Werbemittel für den Handel und die Gastronomie stehen an. Im Fokus des neuen Markenauftritts steht dabei der Sehnsuchtsort Natur. Zudem hat Krombacher das größte Investitionsprogramm in der Geschichte der Brauerei gestartet, das unter anderem den Umbau und die Erneuerung der Abfüllanlagen in Krombach vorsieht. Dafür werden in den kommenden sechs Jahren über 100 Mio. Euro investiert.

Frisches Design: Der neue Auftritt von Krombacher folgt der neuen Markenkampagne „Auf unsere Natur“.

Starkes Auslandsgeschäft und neue Sorten

Die Bilanz der Haus Cramer Gruppe macht ebenfalls Mut. Der Absatz nach Hektolitern stieg um 0,5%. Raphael Rauer, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing, hält die strategische Ausrichtung daher für richtig. Im Inland sei der Absatz stabil geblieben, das Auslandsgeschäft – vor allem in Afrika und Asien – zog dagegen stärker an. Auffallend positiv war die Enwicklung der Biermarke Oberbräu Hell. Der Absatz des hellen Vollbiers stieg 2024 nach leicht verändertem Markenauftritt im zweistelligen Prozentbereich. Generell ist die Getränkegruppe mit der Entwicklung ihrer Marken zufrieden, unter anderem mit den Regionalbieren Paderborner und Herforder sowie verschiedenen Bieren der König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg. Besonders erfreulich ist außerdem der steile Aufwärtstrend der Warsteiner NaturRadler-Range, die erst im vergangenen Jahr durch die zusätzliche Geschmacksrichtung Grapefruit ergänzt wurde.

In diesem Jahr erweitert die Haus Cramer Gruppe ihr Portfolio um gleich vier neue Sorten für die Marken Warsteiner, Herforder, Oberbräu und Paderborner. Warsteiner hat NaturRadler Grapefruit in der Halbliterdose gelauncht. Herforder will mit Helles Dittken, einem süffigen Hellbier, punkten. Dabei ist der Name des neuen Bieres genauso typisch ostwestfälisch wie die Brauerei selbst. „Es läuft wie‘n Dittken ist in Ostwestfalen eine typische Redewendung“, erklärt Lasse Thiele, Marketingleiter DACH der Haus Cramer Gruppe, „so spiegelt der Produktname die lokale Verbundenheit der Brauerei zur Region wieder.“ Das Oberbräu-Sortiment wurde im Februar bereits mit einer 0,33-l-Dose ergänzt, aus Paderborn kommt mit Paderborner Stark ein 7,5-Prozenter in der 0,5-l-Dose auf den Markt.

Neuling: Helles Dittken von Herforder

Neue Zielgruppen erreichen

Im Bierland Bayern liegt der Absatz nach wie vor hoch. Das spürt auch Erdinger. Der Absatz inklusive alkoholfreien Bieren und dem Erdinger Brauhaus lag 2024 bei 1,5 Mio. hl und damit sogar leicht über dem Vorjahresergebnis. Der Wandel im sonst rückläufigen deutschen Markt ist dennoch erkannt. „Wir Brauer müssen mittelfristig die Situation stabilisieren und neue Zielgruppen erreichen“, sagt Dr. Stefan Kreisz, Vorsitzender der Geschäftsführung, „wie es geht, beweisen wir mit unseren Erdinger Brauhaus-Bieren. Mit diesen schaffen wir genau das, was viele Bierliebhaber aktuell wollen: bayerische Gelassenheit erleben und beste bayerische Braukunst schmecken – ob mit oder ohne Alkohol. Neuestes Pferd im Stall ist Erdinger Brauhaus Helles Alkoholfrei, das seit Februar im Handel und in der Gastronomie verfügbar ist.

Seit Februar erhältlich: Erdinger Brauhaus Helles Alkoholfrei

Wiedererstarken des Nachtlebens

Entgegen dem Trend sind aber auch andere Brauereien gewachsen. Maisel und Bayreuther etwa haben das Vorjahresergebnis übertroffen, und selbst die Weißbiere konnten wachsen. Letzter Neuzugang war bereits 2024 der Bayreuther Urstoff, ein ursprüngliches und charakterstarkes Bier, das stärker eingebraut als Topseller Bayreuther Hell mit einer leuchtend gelben Farbe und einem kernigen, vollmundigen Geschmack daherkommt. „Der Urstoff war schon immer das Lieblingsbier der Bayreuther Braumeister. Die Rezeptur für das charakterstarke und typisch bayerische Bier stammt aus den Gründerjahren der Brauerei und steht damit noch heute für den Ursprung des Bayreuther Brauhauses“, teilt Jeff Maisel mit, der zugleich verkündet, dass das Maisel & Friends Urban IPA jetzt dauerhaft verfügbar sein wird. Die Zukunft sieht Maisel optimistisch. „Wir hoffen, dass sich die wirtschaftliche Lage stabilisiert und die Kaufkraft der Verbraucher wieder steigt, sodass mehr Geld für Freizeit und Gastronomie ausgegeben wird“, erklärt der kreative Brauer, „zudem gibt es Anzeichen für ein Comeback der Club- und Partykultur. Nach den herausfordernden Jahren für die Nachtgastronomie gehen vor allem jüngere Zielgruppen wieder vermehrt aus, was den Bierabsatz ankurbeln könnte.“

Tradition mit Lifestyle: Bayreuther Urstoff wurde bereits 2024 herausgebracht.

Null Bock soll Freude machen

Dass auch kleinere Brauereien Akzente setzen können, beweist das Einbecker Brauhaus. Der Erfinder des Bockbiers hat Tradition weitergedacht und eine alkoholfreie Variante herausgebracht. „Echtes Bockbier, ganz ohne Alkohol – und ein klarer Aufruf zu mehr Gelassenheit in stressigen Zeiten“, lautet das Motto. Den Einbecker Braumeistern ist es gelungen, durch eine schonende Entalkoholisierung die süßlichen, röstigen Aromen von Malz, Schokolade und Vanille zu erhalten. Gekrönt wird der Genuss durch die charakteristische Mahagonifarbe, die das Bier zu einem echten Hingucker macht. Der Name „Null Bock“ soll nicht nur eine augenzwinkernde Hommage an das alkoholfreie Konzept sein, sondern auch ein Statement, „Natürlich haben wir voll Bock auf unser neues Produkt, und das werden unsere Konsumenten sicher auch haben“, ist Marc Kerger, Vorstand der Einbecker Brauhaus AG, überzeugt. Auch in der Gastro soll der Neuling mit einer kreativen „Null-Bock-Kampagne“ in Szene gesetzt werden.

Voll Bock auf Null Bock: starkes Statement vom Einbecker Brauhaus mit einer alkoholfreien Variante

Text: Klaus Niester

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