Mittendrin - „Alte Fleischerei“, Mühlhausen/Thüringen
Es läuft gut in der Mitte Deutschlands. Ausgerechnet im thüringischen Mühlhausen, in dem sich das erste deutsche Bratwurstmuseum befindet, wird in der ehemaligen Fleischerei nichts mehr zerteilt und verwurstet. Stattdessen wird gefeiert und das mit Erfolg. disco-magazin hat Charly und Markus Hamm in ihrer Industrie-Location besucht.
Am Rand der Kreisstadt mit 37.000 Einwohnern, ganz in der Nähe vom geografischen Mittelpunkt Deutschlands, steht die „Alte Fleischerei“ gleich mehreren Generationen zur Verfügung. Inhaber Markus Hamm beschreibt den Betrieb als lupenreine Eventlocation. 80 Prozent sind Eigenveranstaltungen. Das Areal ist groß und besteht aus verschiedenen Einheiten mit separaten Konzepten.
Teampower: Markus Hamm (r.) lässt Sohn Charly größtmögliche Freiheiten, um die Eventlocation erfolgreich am Markt zu platzieren.

Die Hauptarea befindet sich im Obergeschoss und umfasst rund 1.000 qm. Der große Raum mit markanter Bühne und selbstgezimmerten Tresen und Möbeln wird als „Alte Fleischerei“ mit unterschiedlichsten Events mit bekannteren Booking-DJs und Live-Konzerten bespielt und kann flexibel bis auf 185 qm reduziert werden. „Wir können uns gnadenlos verkleinern“, lacht Hamm.

Die Licht- und Soundtechnik in der großen Halle wird regelmäßig upgegradet. Über ein großes Rolltor geht es ins Freie in den von Gebäuden und Mauern umgebenen Open-Air-Bereich. Vor der dortigen DJ-Kanzel werden im Sommer Sitzinseln installiert. Highlight ist aber ein roter ausgemusterter Gelenklinienbus, der 2023 gekauft und im Inneren komplett mit Lightshow und RCF-Anlage umgerüstet wurde. Der „Bassbus“ kommt an. Bei Events von April bis Oktober ist er regelmäßig bestens gefüllt. Vorne im Fahrerbereich hat Markus Hamm ein nach hinten gerichtetes DJ-Pult gebaut. Bis zu 200 Personen wurden schon im Bus gezählt. Eng bringt Laune, darauf steht das Tanzvolk.

Einsteigen und Vollgas: Der stationäre „Bassbus“ mit integrierter DJ-Kanzel und Floor platzt meistens aus allen Nähten.

Das 350 qm große Untergeschoss ist wesentlich kleinteiliger und recht verwinkelt, der Partycharakter überwiegt deutlich. Größter Raum ist mit vorgelagerter Bar der knapp 100 qm große „Under-
ground“, ein Floor, der ausschließlich aus großer DJ-Kanzel und Tanzfläche besteht. Von dort aus geht es in einen Flur mit Loungesofas, der in den „Bunker“ mündet, einen bei den Gästen beliebten Raum mit eigenem DJ-Pult. Direkt gegenüber lädt vier Mal im Jahr bei speziellen Hardtechno-Partys das „Kinky“-Zimmer mit weichen Liegeflächen zu lasziven Momenten und mehr nach Berliner Vorbild ein – ganz nach dem zur Location passenden Motto „Fleischeslust“ mit strengem Dresscode.
Tatsächlich war im gesamten Gebäude seit 1967 der größte fleischverarbeitende Betrieb der Region untergebracht. Nach der Wende flossen 15 Mio. DM (ca. 7,5 Mio. Euro) in die Sanierung, die 1997 abgeschlossen war. Und siehe da: Nur neun Monate später war Schluss.

Einfach tanzen: Im „Underground“ füllt sich der Floor schnell.

Darüber konnte sich das „Partyersatzamt“ – kurz PEA – freuen, das 1999 die frisch renovierten Räumlichkeiten für PartyS nutzte – Stars wie Carl Cox und Sven Väth legten damals vor bis zu 5.000 Menschen auf, bis die Veranstalter 2003 in ein noch größerer Areal umzogen.

Fetter Sound, flexibles Lichtsetting: Die Bühne ist das zentrale Element in der „Alten Fleischerei“.
Markus Hamm kaufte die alte Fleischerei, baute die Etagen um und vermietete sie als Büros, Lager und Produktionsflächen. Als der Hauptmieter Ende 2022 kündigte, kam dem heute 51-Jährigen die Idee zur Eventlocation – einen gastronomischen Back- ground hatte Markus Hamm bis dahin nicht. „Ziel war es, alles ohne Fremdfinanzierung zu schaffen“, sagt Hamm, „alles gehört also uns.“ Auch Industrieverträge wie Brauereibindungen und Ähnliches lehnt er ab. Sein Geld hatte der gelernte Florist zunächst als Mitinhaber im elterlichen Blumengeschäft und im Messebau verdient. 1997 entwickelte er mit Partnern eine Maschine für Textil-Heißprägung. „Wir sind Marktführer in dem Bereich“, erzählt er. Sitz des Unternehmens mit 2.500 internationalen Kunden ist in Zug (Schweiz).
Nur wenige Kilometer von der „Alten Fleischerei“ entfernt: der Mittelpunkt Deutschlands

Am 10. März 2023 stieg die erste Party unter Hamms Leitung. Involviert war schon damals Sohn Charly, heute 18 Jahre alt, der die Rolle als Betreiber und Eventleiter mit Lust und Laune, aber auch viel schnell erworbener Kompetenz ausfüllt. Sich selbst bezeichnet er als jüngsten Betreiber der Republik. Schon die ersten Events, die ohne fremde Beteiligung durchgeführt wurden, waren erfolgversprechend. Vater und Sohn waren begeistert. „Ich helfe dir, aber du machst das allein“, will Markus Hamm damals zu Charly gesagt haben. Der gerade einmal 16-Jährige nahm die Herausforderung an und lernte erstaunlich schnell, was zu tun ist. „Ich bin schon stolz darauf, was wir in zwei Jahren so gemacht haben. Ich gebe 140 Prozent“, erklärt er, „wir sind einfach breit aufgestellt. Das Standard-Clubding für 18- bis 25-Jährige funktioniert hier nicht, schon weil die Leute einfach nicht mehr da sind.“ Den Nerv der Zeit treffen stattdessen Live-Auftritte unter anderem von Westbam, Dr. Motte, Alfred Heinrichs, KomaCasper, Tiefundton, Felix Kröcher, Banal und zuletzt Rammstein und Gestört Aber Geil. Am zweiten Geburtstag Anfang März standen beim „B-Day“ mit Hardtechno, HipHop, Techno und House über 20 DJs an der Fadern. Aber auch Veranstaltungen für ältere Zielgruppen und Kinder-Events stehen auf dem Programm. Zudem bespielt die „Alter Fleischerei“ auch die Jugendkirche in Mühlhausen.

Ohne Schnörkel: In der bis zu 1.000 qm großen Hauptarea finden verschiedene Events statt, darunter auch hochkarätige DJ-Gigs.

Und was trinkt der Gast in Mühlhausen? Vor allem Heineken und Desperados sind gefragt, auch Havana-Cola – in der Gegend „Suppe“ genannt – macht Kasse, ebenso wie Wodka-Red Bull und die Shots Ficken und Jägermeister.

Im Online-Marketing nutzt Hamm das Erfolgssystem disco2app von 2peaches aus Reichenbach, mit dem er sehr zufrieden ist. Erst jüngst eingeführt hat die „Alte Fleischerei“ auch schicke schwarze Chipkarten mit Clublogo und RFID-Chip der Firma Pay-Jet aus München. Den Kontakt hatte Hamm vor eineinhalb Jahren in Osnabrück auf der Club Convention geschlossen. In diesen Tagen folgt ein ecos Kassensystem. Der gesamte Zahlungsverkehr im Objekt ist dann bargeldlos. Die Karten können an zwei Stellen in der Location aufgeladen und nach dem Event auch mit nach Hause genommen werden.

Begehrter Lieblingsfloor: der „Bunker“ im groben Katakombenstyle

Bislang hat Markus Hamm rund eine halbe Million Euro in die Location investiert. Demnächst soll schon wieder umgebaut werden. Dabei entstehen behindertengerechte Räume und Toiletten, wofür auch Zuschüsse beantragt wurden. „Wir haben viele Rollstuhlfahrer“, weiß Markus Hamm, und Charly ergänzt: „Die sind
happy, wenn sie mal irgendwo hinkommen.“

Aber auch eine neue Soundanlage wird gesucht. Noch ist die endgültige Entscheidung für ein neues Line-
Array nicht getroffen. Beim Licht stehen hybride Moving-Heads auf dem Einkaufszettel, die direkt bei einem renommierten chinesischen Produzenten gebaut werden.

Die Gründe, warum in der „Alten Fleischerei“ von schlechten Zeiten keine Rede sein kann, zählt Markus Hamm für disco-magazin gerne auf:

  1. Das Gebäude ist Eigentum, das abbezahlt ist.
  2. Der Standort! In der Region hat der Betrieb ein Alleinstellungsmerkmal.
  3. Die Vielfalt: „Wir bilden alles ab.“
  4. Die Flexibilität der Räume: „Wir können uns das bauen, was wir brauchen.“
  5. Stets neue, aktuelle Technik.

Text: Klaus Niester

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